Vanitas - Eitelkeit und Vergeblichkeit im U17

Sonnenkönige im Mainzer Untergrund

Es ist nun genau eine Woche her, wo ich die Premiere des Stückes Sonnenkönige auf der Bühne U17 des Mainzer Staatstheaters besuchte und ich bin immer noch damit beschäftigt zu reflektieren, was ich da gesehen und gehört habe.

 Aufmerksam auf dieses, als Hörtheater deklarierte Stück, wurde ich durch die April-Ankündigung des Mainzer Staatstheaters. Die fokussierte Beschäftigung mit Eitelkeit, Vergänglichkeit und daraus resultierende Handlungen, die im inneren Kern jedoch als vergeblich zu bezeichnen sind, reizte mich und baute eine gewisse Erwartungshaltung auf. So fragte ich auch einen Mitbesucher, kurz vorm Einlass: Mal sehn was uns erwartet, was überhaupt ein Hörtheater ist?

Die im Programmheft angesprochene hochaktuelle Parallele zur heutigen Zeit der Sonnenkönige tat dabei ein weiteres.

So ging es nun viele Treppen hinab in die Tiefen des Mainzer Untergrundes. U17 hatte in mir ja sowieso schon die Assoziation geweckt, auf dem Weg zu einem U-Bahn-Gleis zu sein (dabei diskutiert die Mainzer und Wiesbadener Stadtspitze ja nur über eine verbindende überirdische „Tram“).

Als ein Hauch von Vergänglichkeit wurde das Stück „Sonnenkönige“ von den Mainzer Theatermachern angekündigt. Als Sonne des eigenen kleinen Universums begreifen sich auch die Menschen, die gemäß Programmheft als Akteure auf die Bühne gestellt werden. Im Zentrum der Inszenierung steht das Stück des italienischen Komponisten Sciarrinos, der zu den derzeit bedeutendsten lebenden Komponisten zählt. Sein Credo in seinen Werken ist stets ein Zusammenwirken der Disziplinen, bei dem die Isolation der Musik aufgebrochen werden soll. Dabei prägt Sciarrinos Vorstellungen von Leere, Vergänglichkeit, Verstummen oder Dunkel. Diesem Ziel folgend nutzt er intensiv die weit gefächerte Vanitas-Thematik, die in der europäischen Musik stets zu den zentralen Sujets zählte und zählt. So spricht auch der Dramaturg im Ankündigungsartikel in der Allgemeinen Zeitung vom Kontrast zwischen der hellen Seite und der Schattenseite, die man für die Inszenierung mit Mitteln der „Vanitas“ aufzugreifen gedenke.

Der lateinische Begriff „Vanitas“ bezeichnet einen „leeren Schein,  meint Nichtigkeit, Eitelkeit“ aber auch „Lüge, Prahlerei und  Vergeblichkeit.  

Schon beim Eintreten in den kleinen Schauspielraum blickte man unübersehbar auf einen großen goldenen Vorhang, der sich schwer und majestätisch von der hohen Decke herab inszenierte. Mit einer Wucht wie in der Hochzeit der Vanitas im Zeitalter des Barocks. So war es nur folgerichtig das die Figur des Sonnenkönigs, der ebenfalls ganz in Gold und mit einem Strahlenkranz auf dem Kopf - eingangs tänzelnd den goldenen Stoff umgarnte.

Ein Konzertflügel lehnte am Vorhang und wartete auf seinen Einsatz. Und nun wechselte das Stück atmosphärisch in die Neuzeit – und da natürlich dem Zeitgeist geschuldet in die 70 Jahre. Der Pianist sowie die darauf folgende Cellistin waren im Glitter der späten 70 ummantelt und stark mit der eigenen Selbstinszenierung beschäftigt. Das dabei dargebotene George Harrison Stück Here comes the sun führte die beiden Musiker nicht wirklich zusammen. Hier blitzte die Kritik an der heutigen oft als egomanisch bezeichneten Welt durch. Nur die Grundregeln der Musik vermochten die beiden Menschen immer wieder kurz miteinander zu verbinden. Sehr slapstickhaft dargeboten ging es im ersten Teil mit weiteren Musikern weiter. Es entwickelte sich eine Art Revue, die darin gipfelte, dass die Sängerin beim "Showtreppenlaufen" Dutzende Autogrammkarten ins Auditorium warf.

 

Es hatte etwas Unterhaltsames - ja - aber auch etwas Bruchstückhaftes – insbesondere als das eigentliche Stück des Italieners "natura morta in un atto per voce" ins Zentrum rückte. Tatsächlich kommt das aus fünf großen Liedern bestehendes Stillleben von Salvatore Sciarrinos mit den minimalsten Mitteln aus.

Eine Stimme mit Klavierbegleitung und ihr Echo im Cello genügen ihm, die Spannung zwischen dem Leben und seiner Endlichkeit, zwischen Traum und Wirklichkeit dramatisch und filigran dazustellen. Ihm genügt im Grunde schon der einzelne Ton, der aus dem Nichts kommt und ins nichts verklingt.  Dies steht nun wie aus dem Rahmen gefallen neben der breit inszenierten Revue des Gods of Awesome. Oder passt eher die Revue nicht wirklich zum Rest? Ich kann mich nicht entscheiden. Es wirkt jedoch wie vom Ballast befreit, als die letzten Takte des Musikertrio im Raum übrig bleibt, das als Echo selbst zur Stimme wird und schließlich in einem scheinbar endlos abwärts laufenden Ton dahinstirbt.

Alles ist eitel, heißt es im Korinther Brief und so bleibt von diesem Abend das Wissen um Vergeblichkeit. In der bildenden Kunst werden oft Symbole zu Vanitas auf die Leinwand gebannt. Ich wähle für mich für diesen Abend das Symbol "Musikinstrumente, Musiknoten"

 

Die Aufführung ist vorbei, der Klang verklungen, die Musiker verschwunden und die Musiknoten und Instrumente sind nur noch ein Zeichen des Fehlens. Der Versuch des bildhaften Darstellens von Musik macht deutlich, auch noch den Klang mit hinzu denken zu müssen. Das Hören von Musik ermöglicht dem gegenüber das Erschaffen eigener Bilderwelten. Es geht eben - wie so oft - nicht ohne eigenes Zutun.

 

Weitere Info: http://www.allgemeine-zeitung.de/lokales/mainz/