Géraldine Courtes-Warrass – Universelles Schöpfen ist wie Nahrung geben … eine Künstlerin aus der Mitte Europas  

 

Franzosen und Deutsche:  die französische Lebensart, der deutsche Umgang mit dem Leben. Ich denke, ohne zu übertreiben, es ist Unzähliges über diese Beziehung geschrieben worden.

Die Betrachtung der beiden Länder in der Mitte von Europa füllt unzählige Seiten. Menschen, die direkt an der Nahtlinie dieser beiden Welten leben, können dazu noch Alltägliches aber auch Wundersames beisteuern. So auch Géraldine Courtes-Warrass, eine Künstlerin wohnhaft in Alzey ,die unmittelbar an dieser Nahtstelle lebt und arbeitet.

Auch die Geschichte Rheinhessens ist gefüllt von Begegnungen zwischen Franzosen und Deutsche, denn das linksrheinische Gebiet war ja auch einmal französisch. Und heute noch verwenden die Bewohner des rheinhessischen Hügellandes wie selbstverständlich französische Wörter, wie z. B. Trottwa (Trottoir), Schees (chaise) oder auch Schosee (Chaussée), wenn sie den Bürgersteig, einen Stuhl oder die Straße meinen.

 

Géraldine Courtes-Warrass wandelte mal wieder auf diesen Spuren. Denn das Jahr 2018 begann für Sie mit einer „Art Tour de France“ und sie konnte ohne Gram feststellen, dass sie für die Deutschen: die Französin und für die Franzosen: die Deutsche ist. 

Alleine bei den Begegnungen im Rahmen ihrer jüngsten Ausstellung in Ile d’Oléron, Dolus, wo sie mit deutscher Gründlichkeit Planung und Ausführung ihre Exhibition anging, wurde ihr von den französischen Kollegen das Attribut „oh bist du so deutsch“ attestiert.

Mit Amelie einer Kunstinteressierten aus Paris, die ihr im letzten Urlaub über den Weg gelaufen ist, plant die Künstlerin aktuell eine Ausstellungsidee, die voraussichtlich bei Espace christiane Peugeot in Paris zu sehen sein wird.

Wie die erste Geige im Orchester die Vorgabe setzt, so bestimmt in den aktuellen Werken von Géraldine Courtes-Warrass die Linie bzw. die Linienführung die Komposition ihrer Bildwerke. Die weiteren Linienobjekte und Flächen stellen dann den ergänzenden Klangkörper.

Die erste Linie, die gesetzt wird, bestimmt auch maßgeblich die Richtung der Bildsprache. Während des „Setzens“ dieses Startpunktes ist der Kopf, nach eigenem Bekunden der Künstlerin, nahezu befreit von allen Zwängen. Die Hand führt dann den Impuls vor dem eigenen Auge mit Kraft aber auch mit ausreichender Leichtigkeit voran.

Anknüpfungspunkte entstehen dann wie von selbst. Ich durfte während des Atelierbesuches diesen Vorgang auch kurz filmtechnisch einfangen und ich war fasziniert von dieser "Augenblickskraft" der vor der Kamera stattfindenden künstlerischen Schöpfung.

 

Mir gefallen die aktuellen Linienzeichnungen und Skizzen in ihrer Werkreihe „Spuren des Lebens“ außerordentlich gut, da Sie von dieser Kraft direkt dem Betrachter berichten. Die Bildformen die entstehen laden ein, die eigene Vorstellung spazieren gehen zu lassen. Sei es das ein Kiwi vorm geistigen Auge entsteht, oder das sich auch andere fantastische Formen und Landschaften im Gedächtnis einprägen.

Die Frage, von wem sie diese Leidenschaft für die Kunst erlangt hat, antwortet sie ohne zu zögern vom Vater, der allgemein kunstinteressiert und ein Sammler war.

Aber insbesondere beeinflusste sie auch ihr Bruder, Alex Courtes , der den künstlerischen Ausdruck über den Film sucht und in Frankreich als Regisseur lebt und arbeitet.

Das erste Mal wurde Géraldine Courtes-Warrass mit bildender Kunst durch ihren Bruder konfrontiert, der bereits mit 5 Jahren in der Küche kleine Skizzen auf der Papiertischdecke zeichnete. Der Großvater hat dies immer, wenn er es gesehen hat, gewürdigt: Er riss die Zeichnung aus dem Tischtuch und sagte: Vergiss nicht dieses Werk zu unterschreiben.

Unser Vater, so Géraldine Courtes-Warrass weiter, wollte - durfte aber nicht Kunst zum Hauptberuf machen. Er musste sich um ein geregeltes Einkommen kümmern. Sie selbst, so die Künstlerin in ihren Ausführungen, war immer brav und der Respekt vor der Schaffenskraft des Bruders hielt ihren Drang zur Kunst zunächst zurück.

Gerne half Sie jedoch ihrer Tante, die eine Kunstgalerie in Paris unterhielt. Die Vernissagen waren für sie immer besondere Ereignisse, woran sie gerne tatkräftig Teilhabe nahm.

Auch viele Künstler lernte sie mit der Zeit kennen, auch weil ihr Vater anfing, Kunst zu sammeln.

Wie gesagt, ihre aktuelle Werkreihe Spuren des Lebens (Souffle de Vie) beschäftigt sich mit wiederkehrenden Motiven, die aus ihrer Hand und Körperführung über dem Zeichenbrett entstehen. Begriffe und Objekte, die immer wieder kommen sind: Auge, Weiblichkeit, Vernetzung , etc. Unterschiedliche Phasen durchlaufend sind diese Linienobjekte im Schaffensprozess nicht zu bremsen. Oft endet die Komposition in einem Oval – so zu sagen ihr allgegenwärtiger Stereotyp.

Jeder Mensch, jede Gemeinschaft hat ihre eigenen Stereotypen. Nach Einschätzung der Künstlerin ist dies insbesondere in Afrika stark ausgeprägt. Afrika ist aktuell für die Künstlerin sehr präsent, da sie sich über den Verein afemdi e.V. dort für Frauenrechte engagiert. Vieles wird in Afrika, so die Künstlerin, noch wie früher über Erzählungen weitergetragen und somit auch über Stereotypen vermittelt.

 

Géraldine Courtes-Warrass: Ich achte bei meiner Malerei darauf, dass auch Stereotypen zur Anwendung kommen, damit sich der Betrachter auch gut in die Bildsprache meiner Werke einfinden kann.

 

Aber Achtung – so die Künstlerin in einer behutsamen Mahnung: Dabei kann es jedoch für die jeweiligen Betrachter auch sehr unterschiedlich ausgehen. Beispiel „Haus“. Afrikaner bauen Häuser in ovalen Grundformen, den sogenannten Maison Obus. Als Europäer erkennen wir beim Betrachten dieser Objekte zunächst nicht sofort Wohnstätten - es könnte für uns vieles sein, für Afrikaner jedoch ist es sofort eindeutig ein Haus - ein Maison Obus du Cameroun, das aus Ton und Kuhdung erbaut wurde. 

Warum erzählt die Künstlerin uns dies - ja weil Sie aktuell in den Vorbereitungen für eine Ausstellung in Afrika – gemeinsam mit afemdi - steckt und die Unterschiedlichkeit der Einen Welt verspürt.

 

Am Ende meiner Werkschau stellte ich ihr die Frage zum eigenen Entwicklungsprozess. Die Künstlerin ist ganz und gar der Abstraktion verpflichtet. Geprägt hat sie u.a. Martina Kaul, eine Künstlerin aus Mainz, von deren Arbeit Sie fast ein Jahr gelernt und künstlerisch profitiert hat. Nach ihrer eigenen Einschätzung fand Sie ihren unverkennbaren Ausdruck vor zwei Jahren und über die Zeit kam immer mehr Kraft und Esprit hinzu. Kreative Kraft schöpft die Künstlerin aus einem gesunden Druck, der insbesondere vor anstehenden Projekten entsteht.

 

Sich zu präsentieren, Projekte zu machen und andere Künstler zu besuchen ist ihr sehr wichtig. Es gibt aber auch die Zeit sich zurückzuziehen.

 

Ihre aktuelle Lieblingsfarbe ist Orange ... nach ihrem Gefühl ein Rot mit viel Wärme … drückt die Farbe für sie ein Paradox zwischen Kraft und Leichtigkeit aus.

Ihr Vorgehen im kreativen Prozess:

1. Schritt: Blind Zeichnen, zum Beispiel mit einer Schaumplatte in der Hand - fühlend aufs Zeichnen vorbereiten, das heißt was ich fühle wird auf Papier übertragen.

In einem zweiten Schritt kommt der leicht geführte Bleistift Grafit hinzu, der Fragilität aufs Blatt bringt. Wie eben das Leben so ist - fragil. Eine Hand erfühlt einen Stoff weiter (gerne auch Borsten eines Pinsels) die andere Hand malt.

Und immer ein fester Druck. Nichts darf isoliert sein. Ein Element muss mit einem anderen Element verbunden sein. Kopf befreit – ganz und gar befreit von einer Gestaltungsidee einem Menschen, einer Kultur. Es ist für mich universelles Schöpfen. Wie Nahrung geben. Man muss zwischendrin aber auch aufhören … ausruhen können.

Zeit lassen und zur gegebener Zeit wieder anfangen. – jedoch nicht Morgen und auch nicht übermorgen. Es muss eigentlich schnell gehen .. mit wohldosierter Energie.

Musik ist oft auch dabei. Jazz, Free Jazz … Freihand … aber auch Barockmusik und aktuell natürlich auch afrikanische Klänge.

 

 

(Géraldine Courtes-Warrass:  Universelles Schöpfen ist wie Nahrung geben)

Weitere Infos unter http://g-c-w.de/