Zwischen bekannt und unbekannt ... Kunst als integratives Momentum

Die Wiesbadener freie Kunstschule präsentiert bis zum 08.10.2018 im Rahmen einer Doppelausstellung das aktulle Oeuvre zweier Künstlerinnen: Delphine Levy (Fotografie) und Delaram Homayouni (Malerei)

Ein Wochenende vollgepackt mit Kunst liegt hinter mir. In Rheinland-Pfalz luden die Künstlerinnen und Künstler zum Tag der offenen Ateliers ein. Einige davon in Mainz konnte ich auch einen Besuch abstatten. Aber am Samstag ging es zunächst über den Rhein nach Wiesbaden – denn die Wiesbadener freie Kunstschule WfK bot mit einer Vernissage zweier ihrer Studentinnen auf, die Malerei und Fotografie in ausdrucksvoller Form und voller Wucht in den Ring der Besuchsmöglichkeiten des nun beginnenden Herbstes warf.

Und es hat sich nicht nur mit Eindruckswucht hinsichtlich der Bilderwelten gelohnt, sondern auch auf musikalischer Ebene wurde noch zusätzlich wunderbares mit der Wiesbadener Musikgruppe Vinylmond dargeboten.

 

Der Leiter der Kunstschule Michael Becker öffnete den Blick weit und wies in seinen Eingangsworten auf den Spannungsbogen der Kunst hin, der oft zwischen bekannt und unbekannt hin und her pendelt. Kunstwerke können unser Weltbild bestätigen aber auch für Verwirrung sorgen. Die Hoffnung eines Kurators liegt wohl bei einer Ausstellungskonzeption immer auf der produktiven Neugier der Werkschaffenden sowie der Betrachter. Hierbei ist, so Michael Becker weiter die dargebotene Kunst ein entscheidendes Stellwerk. Vielfalt kann Einfalt weichen. Die Suggestivkraft eines Bildes kann das Fremde öffnen. Kunst kann somit auch zu einem Integrationstraining werden. Ein interessanter Aspekt – wie ich meine. 

Und in der Tat haben sich die beiden Künstlerinnen dieser Aufgabe mit Bravour  gestellt. Die aus Teheran stammende Künstlerin Delaram Homayouni mit Bildwerken, die um das existenzielle Problem von Verwurzelung und Freiheit kreisten sowie Delphine Levy, die mit ihren Fotografien Prismen präsentierte, die Formen und Körper in ästhetischen Konstellationen immer wieder neu zusammenfügten.

Besonders ein Bild viel mir direkt beim Betreten des Ausstellungsraumes auf, und zwar ein Diptychon einer Augenpartie, die mit ihren grazilen Wimpern in Bezug gesetzt war zur filigranen Formwelt der Gräser bzw. Halmen. Nur ein Wimpernschlag entfernt lag somit die Seelenwelt des Menschen zur Formschönheit der einfachen Natur.

 

Auch die Anatomie eines Oberkörpers, zur Hälfte in Kontrast zu einer Lilie gesetzt, brachte für mich die Symbiose des Menschen zur Förmigkeit der Natur wunderbar zum Ausdruck. Auch wenn Delphine Levy nach eigenen Worten Prismen des Unbehagens an einer Welt fotografisch in den Blick rückt, so bleibt doch die grandiose Formschönheit ihrer Bildwerke omnipräsent. Ich muss sagen, ich bin zutiefst berührt von ihren Fotowerken, die ich noch umfänglich in ihrem Werkbuch blättern erkunden konnte.

 

Aber auch die Wucht der erdbezogenen Malerei von Delphine Levy zog mich in den Bann. Als Sohn eines Schreiners bin ich immer wieder schnell mit Holz und erdnaher Natur einzufangen. Auch das „Werkhafte“ an einem Kunstwerk öffnet besser mein Herz, wie jede Abstraktion, die synthetisch oft ohne Bezug für mich dazustehen scheint. Das ist bei den Werken von Delaram Homayouni selten der Fall, kommt Sie ja auch von der fotorealistischen Malerei. Auch diese Werke waren in einem weiteren Raum zu bewundern, indem die Gäste Kulinarisches dargeboten bekamen.

Sogar vieles kredenzt von der Künstlerin höchstpersönlich. Ein Werk war mit sofort nahe – und zwar ein Ölbild mit gemagerte Farbe auf Holz, in diesem Jahr entstanden.

Belastete Stärke – ein Bild in einem intensiven Blau Schwarz Weis gehalten mit ornamentartiger Struktur – ein Baum dessen Arme – so will ich die Äste bezeichnen, teils geknickt teils Hilfesuchend ausgestreckt blattlos in den Raum strebten. Einfach atemberaubend, wie belastete Stärke auf den Punkt gebracht werden kann. Belastet, aber nicht die Schönheit verlierend, steht der Baum da, ganz auch in einer orientalischen Anmutung, die so vertraut wirkt, da in Mittel- und Nordeuropa (eigentlich in der ganzen Welt) der Baum mit seinem Streben von der Tiefe seiner Wurzeln bis hin zum Himmel schlechthin als Symbol des Lebens für viele Kulturkreise gilt.

Und dem hat sich die Künstlerin auch intensiv verschrieben: die Bezugnahme bzw. die integrative Betrachtung über die Kulturkreise hinweg – immer auf der Suche nach dem Verbindenden zwischen bekannt und unbekannt. In ihren Werken erforscht sie anhand des Elements Baum insbesondere die mythologischen Erkenntnisstrukturen des zeitgenössischen Menschen.

 

 

Die Ausstellung ist noch bis zum 07.10 in der Friedrichstr. 7 in Wiesbaden zu sehen. 

 

Weitere Info: http://www.w-f-k.de/aktuell